June 17, 2010

Im Nachbarland des Fußball-WM-Gastgebers Südafrika leben nur knapp zwei Millionen Menschen. Der in Holland geborene Namibianer Jan van de Reep (66), der InShoes auf eine Tour durch sein ganz persönliches Naturparadies begleitet

von Petra Kaiser

Huab Lodge im Damara-Land in Namibia. Es ist sechs Uhr morgens. Langsam steigt die Sonne über die Bergspitzen, leichter Nebel liegt noch über dem Huab-Fluss. Der fließt hier in dieser Zeit nur als kleines Rinnsal, das nach gut hundert Metern schon wieder versickert. Wir treffen uns zum Morning Walk mit Jan, dem Besitzer der Lodge. Der eingewanderte Niederländer kennt hier jedes Geräusch, jede Spur. Abdrücke lesen und zuordnen sind seine Spezialität. Er liebt die Touren über das 8.000 Hektar große Gelände. Ein kleines Paradies, das der engagierte Naturschützer wie ein Landschaftsschutzgebiet betreibt. Seine eigenen Spuren hinterlässt Jan in dreiviertel hohen Stiefeln. Die „Tarzanschuhe“ hat er in Tulbagh gekauft.

Afrikanische Produktion. Hergestellt werden sie aus Rinds- oder Kuduleder von einer Firma in der Nähe von Kapstadt, die ebenfalls einem Holländer gehört. Kostenpunkt: rund 50 Euro. Ein Schnäppchen für europäische Verhältnisse. Jan: „Die halten drei Jahre, dann kaufe ich die nächsten. Darin stören mich weder Sand noch Gestrüpp. Und das Leder ist angenehm weich.“

Wie kommt man aus Holland hierher in die ehemalige deutsche Kolonie Namibia?
Für Jan van de Reep führte der Weg über Südafrika. Er wurde 1943 im holländischen Hillegom geboren – in der Tulpengegend. Mit 14 verlässt er die Schule, wird Gärtner. Schon damals plagt ihn das Fernweh. Vor 44 Jahren fliegt er nach Südafrika, jobbt 15 Monate in der Nähe von Johannesburg – wieder als Gärtner.

Seitdem lässt ihn Afrika nicht mehr los. Von Südafrika reist er per Zug nach Namibia, damals Südwest-Afrika genannt. Zwei Tage dauert die Fahrt nach Windhuk. Jan trampt weiter in die Bergbaustadt Tsumeb, nicht weit vom berühmten Etosha-Nationalpark. Mit einigen Jobs hält er sich über Wasser, bis er das hat, was er sucht – Natur! Seit 1972 führte er als Guide Touristen durch den Nationalpark. 1992 verliebt er sich in das Damaraland, kauft eine Farm und gründet die Huab Lodge.

Sieben Uhr. Es wird warm. Jan stapft voraus, die listigen Augen ständig unterwegs. Gibt es hier Schlangen? Schelmische Antwort: „Na klar. Man muss gucken, wo man hintritt.“ Jetzt ist klar, warum er seine Safari-Stiefel so liebt – im hohen Gras lauern Pythonschlangen! Das Frühstück wartet in der gemütlichen Lounge. Einheimische servieren Rührei, Maispampe und leckeren Kudu-Schinken. Jan tauscht seine Stiefel gegen Kunststoff-Crocs.

Zehn Uhr, es geht auf Spurensuche mit dem Land-Cruiser. Wir lassen das alte Farm-haus rechts liegen, kreuzen eine 1.400 Meter lange Flugzeug-Landepiste, und schon befinden wir uns mitten im Busch. Jan stoppt das Auto und zeigt auf frische Antilopenspuren: „Die herzförmigen Abdrücke gehören zu Oryx. Sie stehen sicher vorne im Flussbett.“ Der Jeep ruckelt über Äste und Steine, Ferngläser und Digitalkameras sind gezückt. Und tatsächlich. Wir entdecken eine Herde aus rund 25 Tieren dieser großen Antilopenart.
Sechs Warzenschweine tauchen aus dem hohen Gras auf. Jan: „Sie haben einen Spalthuf, der stumpf nach vorne geht.“ Pumba lässt grüßen…

Tour-Guide Jan van de Reep (oben) reichen insgesamt acht Paar Schuhe im Schrank. Neben schlangenbissfesten Safari-Stiefeln und diversen Sandalen bevorzugt er die in Namibia unvermeidlichen „Vellies“ aus zähem Robben- oder weichem Kudu-Leder. Mit Gummisohlen aus alten Autoreifen Spalthufe haben auch die Kudu-Antilopen, sie sind aber schmaler. „Die sehen wir vielleicht heute Nachmittag. Letzte Woche hatten wir Glück, da waren zwei Elefanten hier.“

Zurück in der 200 Quadratmeter großen offenen Lounge der Huab Lodge wartet das Mittagessen. Dort fühlt man sich ein bisschen wie früher im Salamander-Kinder-Paradies. Es wimmelt von „Lurchis“…

Suzi (55) erwartet die Truppe. Sie ist gebürtige Deutsche, in Kenia aufgewachsen – und seit 1982 mit Jan verheiratet. Romantisch: Die Hochzeit fand am Koinachas statt, eine der berühmten Wasserstellen des Etosha-Nationalparks. Als Braut trat sie in beigefarbenen Stöckelschuhen der Marke Hush Puppies vor den Altar. Suzi lachend: „Na ja, so recht passte das nicht. Nach zehn Minuten versanken die Absätze im Sand. Ich glaube, ich habe sie noch.“

Und tatsächlich. Nach dem Essen kramt sie für InShoes im Kleiderschank und findet in der hintersten Ecke ihre alten Brautschuhe. Stumpf, voller Spinnweben und mit einer ausgetrockneten Gecko-Mumie im Fußbett. „Die probiere ich jetzt an…“

Jan lachend: „Wenn Suzi hier im Busch Stöckelschuhe tragen will, frage ich sie, ob sie fette Wurst gegessen hat.“
In der Huab Lodge gibt es kein Fernsehen, kein Radio, keinen Handyempfang. Das Satellitentelefon spinnt manchmal – aber der Computer funktioniert. Der Bildschirmschoner zeigt den blanken Busen einer Himba-Frau. Jan erklärt: „Normalerweise leben die Himbas im Kaokoland, im Nordwesten Namibias. Aber nur zwei Autostunden von hier gibt es bei Kamanjab ein kleines Himba-Dorf, wo die Eingeborenen auch ihre Traditionen pflegen. Und sehr extravagante Schuhe kreieren – aus alten Autoreifen.“

Suzi van de Reep (r.) läuft am liebsten barfuß. „Ansonsten bevorzuge ich Fit-Flops. Die gerundete Sohle tut mir gut.“ Die alten Hochzeitsschuhe dagegen (unten) verbannt sie wieder in den Schrank...

Gäste herzlich willkommen.
Die sechsstündige Autofahrt von Windhuk zur Huab Lodge führt zunächst über breite Teerstraßen, die dann in sandige Pisten und am Ende in einspurige, steinige Feldwege übergehe

Um 16 Uhr geht’s wieder mit dem Geländewagen in den Busch auf Entdeckungsreise. Jan will uns eine andere Antilopenart zeigen, die bräunlichen Kudus mit den tollen gedrechselten Hörnern. Ihre Spuren sind schnell gefunden, und kurz danach auch die Tiere.

Ein imposanter Bulle und fünf Kühe mit Nachwuchs beobachten den Jeep in aller Ruhe, lassen sich fotografieren. Es geht weiter. Plötzlich hat der Mann, der seit 44 Jahren in diesem Land lebt, ein Aha-Erlebnis. „Da an dem Wasserloch! Das habe ich noch nie gesehen!“ Eine Herde von Bergzebras kreuzt unseren Weg. Jan zählt. „28 Zebras – vier verschiedene Herden. Wahnsinn!“ Im Tagebuch notiert er alles, was ihm auffällt. Seine Augen strahlen rot – eine Spiegelung der Sonne, die hinter imposanten Granitblöcken untergeht. Darauf ein Windhuker Weizenbier, nach deutschem Reinheitsgebot gebraut.

Schuhmode auf Himba-Art

Der „Duft“ der herumlaufenden Ziegen ist heftig – oder ist es die spezielle „Hygiene“ der Himba-Frauen? Denn sie waschen sich ihr ganzes Leben lang nicht, pflegen ihren Körper statt dessen mit einer fettigen Creme aus Butterfett und Ockerfarbe. Ihre Bekleidung beschränkt sich auf knappe Lendenschurze aus Leder und selbst angefertigten Sandalen. Himba-Frau Mokajewo präsentiert stolz ihre Schuhe aus Giraffenleder. Das eigentlich sehr harte Leder wird mit Fett geschmeidig gemacht. Jan zeigt eine Riemchensandale. „Die ist aus einem alten Autoreifen hergestellt worden. An der Seite kann man noch ,Pirelli' lesen. Die Himbas brennen Löcher in das zugeschnittene Gummi und befestigen die Sohle mit Nägeln.“

20 Uhr. Huab Lodge. Das Abendessen und der leckere Wein aus dem Nachbarland Südafrika warten auf uns. Zwan zig Mitarbeiter kümmern sich um das Wohl der Gäste. Alle tragen die bekanntesten Schuhe Namibias, „Vellies“ genannt. Sie werden in der Küstenstadt Swakopmund hergestellt. Jan: „Die sind aus Robbenleder, extrem robust. Sie halten große Hitze genauso aus wie einen Pythonbiss. Viele der Sohlen bestehen aus alten Autoreifen.“

Mona Lisa (19) trägt sie genauso wie Nicki (26), Jack-son (27) und all die anderen guten Geister der Lodge. „Wer Bedenken wegen der getöteten Robben hat, den kann ich beruhigen. Die Fischindustrie ist für Namibia sehr wichtig. Durch den Hunger der Robben ist der Fischbestand gefährdet und der Robbenbestand muss reguliert werden.“ Sagt Naturschützer Jan.

Am nächsten Tag fahren wir in das Seebad Swakopmund an der Atlantikküste. Vier Autostunden nach Süden, inklusive Reifenpanne in der Namib-Wüste. Wir besuchen das Schuhgeschäft der Familie Sibold in der Kaiser-Wilhelm-Straße, Spezialisten für „Vellies“ aus Robben-und Kuduleder.
„Im Unterschied zu den eher rustikaleren Robbenschuhen haben die Kuduschuhe weicheres Leder. Man hat das Gefühl, Pantoffeln zu tragen“, erzählt Jan. „Nässe ist kein Problem. Das Leder stößt Wasser ab, passt sich optimal dem Fuß an. Auch ohne Strümpfe gibt es keine Blasen. Tour-Guides lieben diese Schuhe.“
Jans Lieblingsschuhe sind seine Birkenstock-„Schlappis“. „Die Sandalen trage ich seit 30 Jahren. Und ich finde es spitze, dass ich sie seit zwei Jahren auch in Windhuk kaufen kann.“
Abschied von unserem Tour-Guide Jan. In Namibias Hauptstadt Windhuk wartet der Flieger nach Europa. Aber der Afrika-Virus hat nun auch uns befallen. Wir wollen so schnell wie möglich zurückkommen nach Namibia!

Gute Beratung ist wichtig. Dieter Sibold (68, unten links) verkauft in Swakopmund Robben- und Kuduschuhe in verschiedenen Formen und Farben. Für viele Touristen DAS Mitbringsel aus dem Namibia-Urlaub. Die Schuhe gibt es ab 40 Euro. Die Skizze aus einem Buch von 1870 beweist: An der Form der „Vellies“ hat sich seit dem 19. Jahrhundert nichts geändert.
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